Digitale Umformtechnik
Digitale Datenverarbeitung ist in der industriellen Fertigung weit verbreitet. So findet auch die Planung und Auslegung sowie Steuerung und Regelung von Umformprozessen zunehmend digital statt.
Die in diesem Querschnittsbereich verankerten Forschungsthemen sind unterschiedlichen Arbeitsgruppen zugeordnet und werden im Folgenden dargestellt.
Richtwalzen Ziel der Forschung im Bereich Richtwalzen ist die Entwicklung einer Prozesssteuerung zur automatischen Anstellung der Anlage entsprechend den Eigenschaften des Richtgutes. Mit Hilfe der Prozesssteuerung sollen Schwankungen im Richtgut, wie etwa den Materialeigenschaften, identifiziert und kompensiert werden. Zur Umsetzung der Prozesssteuerung wird die Kraft im ersten Biegedreieck der Richtanlage gemessen. Diese Messgröße wird mit den Richtguteigenschaften sowie der optimalen Anstellung korreliert. Um diese Daten zu generieren, werden Parameterfelder in einem FE Modell des Prozesses berechnet. Auf Basis dieser Ergebnisse ist das Steuerungskonzept auf eine Richtwalzanlage übertragen worden. Die Ergebnisse zeigen, dass die Steuerung Änderungen in den Richtguteigenschaften erkennt und erfolgreich kompensiert. Neben der Zielgröße der Bandplanheit wird weiterhin die Einstellung definierter Eigenspannungen durch das Richtwalzen untersucht. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Annemarie Heiser.
Bild: Richtwalzanlage am Institut für Bildsame Formgebung, Bildrechte: IBF |
Hochpräzisionswalzen mit Rauheitsregelung In Zusammenarbeit mit dem Institut für Regelungstechnik der RWTH Aachen University werden Ansätze untersucht, um die Flexibilität und das Prozessfenster der abgeprägten Rauheit eines Nachwalzprozesses zu erweitern. Auf Basis des vorherigen Forschungsprojektes zum Hochpräzisionswalzen mit piezoelektrischen Aktuatoren, einem schnellen Walzmodell und dessen Online-Identifikation werden Bandzüge als zusätzliche Aktuatoren eingesetzt, um die Abprägung der Rauheit während des Nachwalzens zu regeln. Eine modellbasierte Regelung wird aus den Ergebnissen der FE-Simulationen realisiert. Um die Abweichung und Fehler während des Prozesses zu identifizieren, wurde ein optischer Rauheitssensor in dem Hochpräzisionswalzwerk des IBF integriert. Ziel ist es die Lackierbarkeit sowie die tribologischen Eigenschaften der Produkte durch einen Softsensor mit Eigenschaftsmodellen vorherzusagen. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Xinyang Li. Bild: Spaltband läuft in ein Quarto-Walzgerüst, Bildrechte: Martin Braun |
Schnelle Prozessmodelle des Walzens Schnelle Prozessmodelle sind in der Lage, z. B. das Warmwalzen im industriellen und im Labormaßstab abzubilden. Auf Basis des Stichplans und der Materialparameter werden dabei u.a. Kräfte, Temperaturen und die Mikrostrukturentwicklung innerhalb weniger Sekunden berechnet. Solche Programme lassen sich vielseitig einsetzen, die Stärken liegen aber insbesondere im Bereich der Auslegung und Optimierung. So wurde beispielsweise, im Sinne von Industrie 4.0, ein schnelles Walzmodell mit einer Datenbank gekoppelt und es konnten Materialparameter aus industriellen Daten ermitteln werden. Des Weiteren werden am IBF schnelle Walzmodelle, zusammen mit maschinellen Lernverfahren, genutzt, um optimale Stichpläne für das Universalwalzwerk des IBF automatisiert auszulegen. Darüber hinaus erfolgt der Einsatz solcher Modelle für die Lehre und innerhalb von Seminaren. Hier können sich die Studierenden bzw. Seminarteilnehmer einen intuitiven Zugang zur Erstellung, Berechnung und Auslegung von Stichplänen erarbeiten und die ablaufenden Mechanismen in der Tiefe begreifen. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Christian Idzik. Bild: Einzelstich beim Walzen inklusive Kraft-, Temperatur- und Mikrostrukturentwicklung, Bildrechte: IBF |
Stichplanauslegung durch maschinelle Lernverfahren Die Stichplanauslegung für das Walzen ist ein durch Expertenwissen und Empirie getriebener Prozess. Dies liegt daran, dass jeder Stich alle Folgestiche beeinflusst. Ein Ansatz zur Automatisierung der Stichplanauslegung besteht in der Nutzung von maschinellen Lernverfahren. Diese können auf Basis von Daten die Zusammenhänge erlernen, ohne dass diese explizit, in Form von Gleichungen, angegeben werden müssen. Zum Nachweis der Anwendbarkeit wurde daher ein schnelles Prozessmodell mit einem maschinellen Lernverfahren gekoppelt. Dadurch können Modellen trainiert werden, die in der Lage sind Stichpläne automatisiert auszulegen, wenn der Ausgangs- und Endzustand bekannt sind. Die Randbedingungen wurden dabei durch das am IBF vorhandene Universalwalzwerk vorgegeben. Der ausgelegte Stichplan zeigte exakte Übereinstimmungen mit den Vorgaben bei einer Validierungsrechnung durch das schnelle Prozessmodell. Die automatisierte Stichplanauslegung scheint daher erfolgversprechend zu sein. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Christian Idzik. Bild: Interaktion der Einflussgrößen bei der Stichplanauslegung, Bildrechte: IBF |
STOFF – Schnelle Berechnungsmodelle im Freiformschmieden Das Freiformschmieden ist ein inkrementeller Umformprozess, bei dem die Ausgangsgeometrie in oft mehreren hundert Umformschritten zur Zielgeometrie überführt wird. Die Auslegung von Schmiedeprozessen erfolgt dabei überwiegend erfahrungsbasiert oder auf Grundlage einfacher geometrischer Zusammenhänge. Hiermit ist lediglich eine geometrische Prozessauslegung möglich, die keine Aussagen über die Temperaturführung, die Kerndurchschmiedung sowie die Korngrößenverteilung erlaubt. Da die FEM-Simulation sehr zeitintensiv ist, hat das IBF mit „STOFF“ schnelle Berechnungsmodelle für das Freiformschmieden entwickelt, welche die schnelle Berechnung dieser Zielgrößen ermöglichen. Kombiniert mit einer graphischen Oberfläche kann so eine eigenschaftsbasierte Auslegung und Optimierung von Schmiedeprozessen erfolgen. Zudem bietet sich eine Nutzung zu Lehrzwecken an, da anschaulich die Zusammenhänge zwischen Prozessparametern und resultierenden Bauteileigenschaften analysiert werden können. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Niklas Reinisch. Bild: Erweiterte Informationen zum Schmiedeprozess durch schnelle Modelle, Bildrechte: IBF |
Online-Assistenzsystem für das Freiformschmieden Beim Freiformschmieden ist ein kontrollierter Prozessverlauf von großer Bedeutung für die Bauteilqualität. Während des Schmiedeprozesses ist es allerdings nicht möglich, die entscheidenden Eigenschaften wie die Korngröße, die Vergleichsformänderung sowie das Temperaturfeld im Bauteil zu messen. Daher ist es bei unerwarteten Abweichungen vom geplanten Prozessablauf für den Bediener nicht möglich, die Auswirkungen auf die Prozesszielgrößen sinnvoll zu bewerten und die Weiterführung des Prozesses im Hinblick auf die Zielgrößen vorzunehmen. Aufgrund dieser Problematik besteht ein Forschungsschwerpunkt am IBF in der Entwicklung eines Assistenzsystems für das Freiformschmieden, welches unter Nutzung schneller Prozessmodelle für Formänderung, Temperatur sowie Korngröße die Bewertung der Bauteilqualität aus messbaren Prozessgrößen ermöglicht. Hiermit soll langfristig die Vision einer autonomen Prozessregelung für das Freiformschmieden realisiert werden. Dabei erfolgt die Ertüchtigung der IBF-Schmiedepresse als Demonstratoranlage. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Nikhil Jagtap. Bild: Online-Assistenzsystem an der IBF-Schmiedepresse, Bildrechte: IBF |
Flexibles radiales Ringwalzen zur Herstellung nicht-axialsymmetrischer nahtloser Ringe Möglichst endkonturnahes Ringwalzen zur Minimierung des Material- und Zerspanungsaufwands hat heute eine erhebliche wirtschaftliche und ökologische Bedeutung. Industriell erzielbare endkonturnahe Ringgeometrien sind bisher ausschließlich rotationssymmetrisch, obwohl auch Anwendungen mit einer in Umfangsrichtung variierenden Volumenverteilung existieren, z.B. exzentrische Ringe mit einem annährend linearen Wanddickenprofil. Diese Bauteile werden bisher je nach Bauteilgröße durch Zerspanung, Gesenkschmieden oder Gießverfahren hergestellt, wobei Nachteile bezüglich Materialaufwand, Prozessflexibilität oder mechanische Eigenschaften hingenommen werden müssen. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Mirko Gröper. Bild: Flexibles radiales Ringwalzen, Bildrechte: IBF |
Integrierte CAx-Prozesskette In der Prototypen- und Kleinserienfertigung sind konventionelle Fertigungsverfahren, wie das Tiefziehen, meist nicht wirtschaftlich einsetzbar. Flexible Verfahren mit geringem Werkzeugaufwand, wie das Streckziehen und die Inkrementelle Blechumformung, kurz IBU, sind eine vielversprechende Alternative, um Bauteile innerhalb kürzester Zeit zu realisieren. Mit dem Ziel „first time right“ sollen zusätzlich Ressourcen geschont werden. Dazu sind verlässliche und präzise Planungstools und Modelle notwendig. Die am IBF entwickelte integrierte CAx-Prozesskette ermöglicht die Planung der Fertigung in einer CAD-CAM-Umgebung mit entsprechenden Schnittstellen zu FE-Modellen und Bildkorrelationstools. Numerische Simulationen des Streckziehens oder der IBU liefern digitale Geometrien, die mit der Zielgeometrie abgeglichen werden können. Iterationsschleifen können bei der Prototypenfertigung so virtuell durchgeführt und material- sowie zeitintensive Versuchsreihen vermieden werden. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Thomas Bremen. Bild: Bauteilfertigung mittels integrierter CAx-Prozesskette, Bildrechte: Ahrens+Steinbach Projekte |