Integrierte Simulation
Die Kopplung von Prozessbedingungen und Materialeigenschaften über mehrere Größenskalen hinweg ermöglicht die simulative Erforschung und Optimierung unterschiedlichster Prozessketten.
Die in diesem Querschnittsbereich verankerten Forschungsthemen sind unterschiedlichen Arbeitsgruppen zugeordnet und werden im Folgenden dargestellt.
Schädigungskontrollierte Umformung - Kaliberwalzen Mit der zunehmenden Nachfrage nach leichten und leistungsfähigen Bauteilen müssen innovative Methoden zur Bewertung und Kontrolle der Schädigungsentwicklung in Umformprozessen entwickelt werden. Mit diesem Ziel wird das Kaliberwalzen zur Herstellung von Halbzeugen aus dem Einsatzstahl 16MnCrS5 erforscht. Als Fokus der Forschung gilt die Schädigungsevolution, welche die Entstehung, das Wachstum und die Vereinigung von Poren beschreibt. Zur Beeinflussung der Schädigungsentwicklung werden verschiedene Prozessparamater wie etwa die Kalibrierung oder der Walzendurchmesser untersucht. Weiterhin werden existierende sowie weiterentwickelte Schädigungsmodelle in FE Modelle implementiert, um eine Schädigungsvorhersage zu ermöglichen. Im Laufe des Projekts werden stabförmige Halbzeuge mit gleicher Geometrie aber unterschiedlichen Schädigungen durch Kaliberwalzen am Universalwalzwerk des IBF hergestellt, die durch z.B. Fließpressen weiterverarbeitet und untersucht werden. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Dorothea Czempas. Bild: FE-Modell des Kaliberwalzens, Bildrechte: IBF |
Schädigungskontrollierte Umformung - Flachwalzen Das Warmflachwalzen wird verwendet um Blechhalbzeuge herzustellen. Diese werden in einer Vielzahl von Bereichen, wie etwa der Automobilindustrie, beispielsweise zu Strukturbauteilen weiter umgeformt. Während der Halbzeugherstellung wird die Dicke von meist stranggegossenem Ausgangsmaterial in mehreren Walzstichen reduziert. Hierdurch werden sowohl die Zielgeometrie als auch die mechanischen Eigenschaften des Materials eingestellt. Die Einstellung günstiger Prozessbedingungen ermöglicht es beim Urformen eingebrachte Gussporen zu schließen. Durch Verschweißen der Poreninnenflächen können die Poren ausgeheilt und die Schädigung des Materials verringert werden. Als entscheidend für das Ausheilen von Gussporen gilt der Lastpfad. Dieser ist definiert als die zeitliche Abfolge von Spannungs- und Formänderungszustand, die das Walzgut erfährt. Die Ermittlung einstellbarer Lastpfade beim Warm- und Kaltflachwalzen und deren Auswirkung auf die Porenevolution werden numerisch in FE-Modellen und experimentell am Universalwalzwerk und dem Kaltwalzwerk des IBF untersucht. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Dorothea Czempas. Bild: Walzspalt und FE-Modell beim Warmflachwalzen, Bildrechte: Ahrens+Steinbach Projekte + IBF |
Thermomechanische Einstellung von Mikrostrukturen zur Schädigungskontrolle Als Teil des Sonderforschungsbereichs „TRR 188 – Schädigungskontrollierte Umformprozesse“ besteht das Ziel dieses Projekts darin, den Einfluss von in der Warmumformung eingestellten Mikrostrukturen auf die Schädigungsinitiierung und -entwicklung in der anschließenden Kaltumformung zu identifizieren. Dafür werden zunächst für zwei verschiedene Stahlsorten mittels CALPHAD-Berechnungen thermomechanische Behandlungen ermittelt, die zu möglichst unterschiedlichen Mikrostrukturen in Bezug auf Phasenzusammensetzung, Morphologie und Korngröße führen. Diese werden im Anschluss mit einem Umformdilatometer eingestellt. Abschließend werden diese Mikrostrukturen in Laborversuchen typischen Lastpfaden des Kaltwalzens sowie des Fließpressens ausgesetzt und die dabei auftretende Schädigung charakterisiert und quantifiziert. Die gewonnenen Erkenntnisse werden genutzt, um gemeinsam im SFB die Prozessführung der Warmumformung bezüglich der Einstellung schädigungskontrollierter Mikrostrukturen zu optimieren. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Jannik Gerlach. Bild: Thermomechanische Behandlungen zur Mikrostrukturvariation, Bildrechte: IBF |
Kaltwalzstrategien zur Herstellung magnetisch optimierter Elektrobleche für energieeffiziente Antriebe Eine Möglichkeit zur Steigerung der Effizienz elektrischer Antriebe bietet die Optimierung der magnetischen Eigenschaften des im Magnetkern eingesetzten Elektrobandes. Um den Einfluss von Prozessparametern auf diese Eigenschaften zu quantifizieren und die wissenschaftlich-theoretischen Grundlagen für die Entwicklung verlustarmer Elektrobleche zu schaffen, wird in einer interdisziplinären DFG Forschergruppe, FOR 1897, an einer durchgängigen Prozesskettenmodellierung geforscht. Das IBF beschäftigt sich mit der Untersuchung und Modellierung des Kaltwalzprozesses. Bei der Untersuchung werden unterschiedliche Walzstrategien auf dem Quarto-Kaltwalzwerk und dem Universalwalzwerk erprobt. Bei der Modellierung handelt es sich um ein Multiskalen-Modell, das ein makroskopisches Finite-Elemente-Modell, kurz FEM, und ein mikroskopisches Kristallplastizität-FE Model enthält. Dadurch lässt sich der Einfluss der Walzstrategien und Vormaterialzustände auf die lokale Texturentwicklung im Walzgut ermitteln. Eine Verknüpfung der Teilmodelle ermöglicht die modellgestützte Prozessauslegung für verlustarme Elektrobleche. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Jannik Gerlach. Bild: Multiskalen-Modell zur Berechnung der Texturentwicklung beim Kaltwalzen, Bildrechte: IBF, IMM |
Mikrostruktursimulation mit DIGIMU® und StrucSim DIGIMU®, entwickelt durch den Softwarehersteller TRANSVALOR S.A., und StrucSim, entwickelt am IBF, sind Programme zur Simulation der Mikrostrukturentwicklung während der Warmumformung. DIGIMU® basiert auf physikalischen Ansätzen und ermöglicht eine ortaufgelöste Darstellung der Korngrößenentwicklung und mittleren Versetzungsdichte. Die Optimierung der Materialmodell-Parametrisierung, sowie die zielgerichtete Anwendung für industrielle Umformprozesse sind laufende Arbeiten in enger Kooperation mit TRANSVALOR. Bei StrucSim wird die Mikrostruktur des Werkstoffs über Zustandsvariablen beschrieben, die sich abhängig von den Prozessparametern entwickeln. Somit können Mikrostrukturgrößen, wie die mittlere Korngröße oder rekristallisierter (RX) Anteil, berechnet und die Fließspannung daraus abgeleitet werden. Empirische Modellansätze ermöglichen hier eine geringe Rechenzeit zur Kopplung mit schnellen Prozessmodellen, um die Entwicklung von Korngrößenverteilungen und RX-Anteile zu berechnen. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Holger Brüggemann. Bild: Vergleich einer Mikrostruktur aus DIGIMU® und einem Stauchversuch, Bildrechte: IBF |
Finite Elemente basierte Prozessauslegung zur Herstellung von Metallverbundwerkstoffen durch Walzplattieren Das Walzplattieren ermöglicht die Herstellung von Verbundwerkstoffen mit maßgeschneiderten Eigenschaftskombinationen. Bei dem Walzplattieren werden Plattierpartner durch plastische Deformation permanent verbunden. Die Verbundentstehung ist ein komplexer Prozess, der durch Material- und Prozessparameter beeinflusst wird. Am IBF steht eine Abaqus Subroutine für die Berechnung der Verbundentstehung und des Versagens zur Verfügung. In einem DFG-Transferprojekt wird diese Subroutine weiterentwickelt, um effiziente Prozessrouten für neue Werkstoffkombinationen zu erarbeiten. Mit dieser Subroutine und dem Abaqus-Prozessmodell kann jetzt das Walzplattieren abgebildet werden. Die Festigkeit wird in Abhängigkeit von der Oberflächenvergrößerung berechnet. Durch ungünstige Belastungszustände nach dem Walzspalt kann sich der aufgebaute Verbund auch wieder lösen. So können jetzt die Einflüsse von Parametern wie Temperatur und Höhenabnahme auf die Festigkeit und den Verbundzustand simuliert werden. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Holger Brüggemann. Bild: FE Modell zur Berechnung der Verbindungsfestigkeit beim Walzplattieren, Bildrechte: IBF, Hydro |
Untersuchung des Nachwalzens mit Fokus Oberfläche Eine wichtige Charakteristik gewalzter Aluminiumbänder für den Einsatz in der Automobilaußenhaut ist die Beschaffenheit der Oberfläche. Die Topographie der Oberfläche und insbesondere die Anzahl der Rauigkeitsspitzen sowie das Volumen geschlossener Schmiertaschen beeinflussen den Erfolg der nachfolgenden Prozessschritte Tiefziehen und Lackieren. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Michael Riedel. Bild: Skizze des Nachwalzprozesses mit mill finish und EDT Oberfläche, Bildrechte: IBF |
Schließen von Hohlstellen im Freiformschmieden Die großen Rohblöcke für das Freiformschmieden werden meist durch Blockguss hergestellt. Trotz Maßnahmen zur Verbesserung der Gießqualitäten lassen sich Gussfehler wie z.B. Lunker, Gasblasen und Poren nicht vollständig vermeiden. Eines der Ziele des Freiformschmiedens ist es daher, neben der Einstellung der Zielgeometrie und der Überführung des Gussgefüges in ein homogenes Umformgefüge, diese Poren zu schließen und zu verschweißen, wobei der Erfolg wesentlich von der Prozessführung abhängt. Bis heute werden in den Lieferspezifikationen von Schmiedeunternehmen erheblich erfahrungsbasierte Sicherheitsfaktoren berücksichtigt, die ein sicheres Schließen und Verschweißen der Poren garantieren sollen. Um kürzere und effizientere Prozessketten auszulegen, hat das IBF daher mit Hilfe der Finiten-Elemente (FEM) und Schmiedeversuchen ein zuverlässiges Kriterium zur Beschreibung des Porenschlusses beim Freiformschmieden entwickelt. Dabei werden sowohl die beim Freiformschmieden wechselnden Belastungsrichtungen als auch die auftretenden Scherungen berücksichtigt. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Moritz Gouverneur. Bild: Vergleich des Porenschlusses in Experiment und FEM, Bildrechte: IBF |
Untersuchung von Einflussgrößen beim Ringwalzen Heute kommt dem Ziel, durch endkonturnahes Ringwalzen den Materialaufwand und den Zerspanungsanteil zu minimieren, erhebliche wirtschaftliche und ökologische Bedeutung zu, da nicht nur die Kosten, sondern auch der Energieaufwand maßgeblich von der eingesetzten Materialmenge bestimmt werden. Zum Teil werden in den, unter scheinbar gleichen Bedingungen, gewalzten Ringen nicht reproduzierbare Fehler festgestellt. Diese Fehler können u.a. Risse im Bauteil sein, aber auch eine grobe und/oder ungleichmäßig verteilte Mikrostruktur. In diesem Forschungsprojekt wurden deshalb Einflussgrößen auf die Werkstoffschädigung bei Ringwalzprozessen untersucht. Hierbei wurden schwankungsbehaftete Prozessparameter identifiziert und quantifiziert. Anschließend konnten die so ermittelten Daten auf FEM-Simulationen von Stauch-, Loch-, und Ringwalzprozesse angewendet werden um unter Nutzung von Schädigungsmodellen die Einflüsse der schwankenden Parameter auf die Werkstoffschädigung wiederzugeben. Dabei stellten sich insbesondere die Ringwachsgeschwindigkeit und die Dornwalzengeometrie als maßgebliche Werte für die Werkstoffschädigung beim Ringwalzen heraus. Basierend auf den Ergebnissen des Forschungsprojekts ist es nun möglich die Wahl der Anlage, des Werkzeugs und der Prozesskinematik besser auf das zu erreichende Produkt anzupassen und dementsprechend Material- und Energiekosten in Form von geringeren Aufmaßen und geringerem Ausschuss sowie Nachbearbeitungszeit einzusparen. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Laurenz Kluge.
Bild: Kantenriss bei einem ringgewalzten Bauteil, Bildrechte: IBF |
Lokale Wärmebehandlung kaltverfestigter Stähle Aktuelle Leichtbaukonzepte fördern die Nachfrage nach höherfesten Stählen, die gleichzeitig eine ausreichende Umformbarkeit bieten. Die Kombination von Kaltverfestigung und anschließender lokaler Wärmebehandlung stellt eine vielversprechende Alternative dar, um die Eigenschaften niedriglegierter Stähle entsprechend anzupassen. Dieser Ansatz kann neben der Erhöhung der Umformbarkeit von Halbzeugen dazu genutzt werden, die Eigenschaftsverteilung im Blech optimal an die Funktion des späteren Bauteils anzupassen. Im Rahmen des gemeinsamen Forschungsvorhabens vom Institut für Bildsame Formgebung und dem Fraunhofer-Institut für Lasertechnik werden am Beispiel einer Crashbox zunächst mittels FE-Simulationen lokale Entfestigungsstrategien entwickelt, die die Energieabsorptionsfähigkeit erhöhen. Dynamische Fallturmversuche an realen Crashboxen bestätigen, dass der Stauchweg verglichen mit einer vollständig wärmebehandelten Crashbox um 28 % reduziert und so Gewicht eingespart werden kann. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Lisa-Marie Reitmaier. Bild: Lokal und global wärmebehandelte Crashboxen nach Fallturmversuch, Bildrechte: ILT |
FE-Simulation mehrstufiger Biegeprozesse Die Stanzbiegetechnologie wird genutzt, um komplexe Biegeteile, beispielsweise für die Elektrotechnik, herzustellen. Die Auslegung von Stanzbiegeprozessen erfolgt meist erfahrungsbasiert und wird durch experimentelle Referenzversuche begleitet. Ziel des Kooperationsprojekts mit der Phoenix Feinbau GmbH & Co. KG ist die Erstellung von FE-Modellen zur Beschreibung der Fertigung von Stanzbiegeteilen mit federnden Eigenschaften. Einen Schwerpunkt stellt dabei die Aufbereitung der Materialdaten von hochfesten Federstählen mittels inverser Modellierung unter Biegelast dar. Weiter werden experimentelle Untersuchungen zur korrekten Beschreibung der FE-Randbedingungen durchgeführt. Die erarbeiteten und validierten FE-Modelle werden anschließend genutzt, um unterschiedliche Einflussfaktoren im Stanzbiegeprozess auf das Biegeergebnis zu untersuchen und zu bewerten. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Thomas Bremen. Bild: Biegezentrum eines Stanzbiegeautomaten, Bildrechte: Phoenix Feinbau GmbH & Co. KG |
Phasenumwandlungen in Nickelbasislegierungen Nickelbasislegierungen besitzen gute Korrosions- und Hochtemperatureigenschaften und sind aufgrund ihrer hohen Kriechfestigkeit hervorragend für die Verwendung unter Extrembedingungen wie bspw. in Flugzeugtriebwerken geeignet. Entscheidend für die Beständigkeit bei hohen Temperaturen sind die vorliegende Ausscheidungsmikrostruktur und die Kinetik von Phasenumwandlungen. Im Rahmen eines ZIM-Projektes wird derzeit am IBF, in Kooperation mit der Firma GTT*, ein Software-Werkzeug zur Berechnung von Phasenumwandlungskinetiken und ZTU-Diagrammen von Nickelbasislegierungen entwickelt. Mit Hilfe dieses Werkzeugs sollen die Phasenanteile als Funktion von Zusammensetzung und Temperaturprofil vorhergesagt werden und dadurch eine simulationsgestützte Optimierung der Verarbeitungsprozesse dieser Legierungen ermöglicht werden. Zukünftig soll dieses zu entwickelnde Software-Werkzeug für verschiedene weitere metallische Legierungen und Schlacken verwendet werden. *Gesellschaft für Technische Thermochemie und -physik mbH Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Holger Brüggemann. Bild: Schematisches ZTU-Diagramm für Inconel 718, Bildrechte: IBF |